Kultur und Killer
Ausgerechnet am 10. Jahrestag des Erfurter Amok-Laufs erhält ein
Ego-Shooter den Deutschen Computerspiel-Preis. „Crysis 2“ ist ein
schöner Anlass für alle Empörungsprofis, mal wieder gegen
„Killerspiele“ zu wettern. So wie in den 50ern gegen „verrohende“
Comics agitiert wurde und in den 80ern gegen „Gewaltvideos“. Volkes
Meinung hat man da immer auf seiner Seite. Wenn „Superman“, das
„Texas Chain Saw Massacre“ und irgendwann die Spiele dann im Museum
landen, hat die Aufregung den tagespolitischen Zweck längst erfüllt.
Man darf den Schützenkönig feiern, obwohl Waffen töten. Man darf
Bier prämieren, obwohl Alkohol Hemmschwellen senkt. Nur neue
Unterhaltungsmedien darf man nicht Kultur nennen, weil sie diffuse
Ängste auslösen. Für das Kino hat Bernd Neumann das verstanden. Wenn
Tarantino Folter-Späße in Babelsberg dreht, kann der
Kulturstaatsminister das filmhistorisch einordnen, und ist stolz. Mit
einem Plädoyer für die Genre-Gesetze des Spielemarktes könnte Neumann
jetzt viel bewegen. Wenn er nicht vor seinen Parteifreunden
einknickt.
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