Er ist ein grandioser Erzähler – von Silke Lehmann, Rezensentin

Der Schriftsteller Rudolf F. Thomas
 
Eine Familie in einem biederen Wohnviertel. Thomy lebt mit seiner Mutter, deren Ehemann, der weder sein Vater noch sein Stiefvater ist und drei Halbgeschwistern unter einem Dach. Mit dem Partner seiner Mutter kann er nichts anfangen. Der ist Toningenieur und für den Südwestfunk ständig unterwegs. Die Halbgeschwister sind sechs bis dreizehn Jahre jünger, als der Oberprimaner. Der Altersunterschied ist zu groß für Gemeinsamkeiten. Seit Monaten macht nachts eine Diebesbande die Stadt unsicher. Thomy hat einen Verdacht, der ihn nicht mehr loslässt.

Légion étrangère

Er bekommt Post vom Kreiswehrersatzamt. Im Zug nach Offenburg zur Musterung begegnet er einem heruntergekommenen Mann, der wieder bei der Légion étrangère in Straßburg anheuern möchte. Der Legionär bietet ihm eine seltsame Wette an.
Thomy wird gemustert und als dienstfähig eingestuft. So nebenbei erfährt er, wie der Ober-stabsarzt dafür sorgt, dass sein Sohn vom Wehrdienst befreit wird.
Im Gymnasium stehen Abiturprüfungen an. Seine Schulfreunde nennt Thomy Gefährten der Maturität. Bei der Abiturfeier sorgt er für einen Eklat und erlebt wiederholt Solidarität. In der Diskothek Club Raphael bessert er sich regelmäßig sein Taschengeld auf. Der Disco-Besitzer mag den aufgeweckten jungen Mann vor allem wegen seiner Zuverlässigkeit. Thomy lernt in der Disco populäre Gäste aus der Schlagerszene kennen.
Am 1. Juli 1968 fährt er mit einem Sonderzug nach Bronnbach an der Tauber. Dort wird er zusammen mit anderen Rekruten mit Fahrzeugen der Bundeswehr in die Prinz-Eugen-Kaserne nach Külsheim transportiert. Aus Mayonnaise-Thomy wird Panzerschütze Friedemann, aus Gefährten Kameraden. Die Ausbilder verschmähen ihre Rekruten als Morgenlatten, Bettenbauer, Kanonenfutter und Blindgänger. Im August marschieren die Soldaten des Warschauer Pakts in Prag ein. Unter den Rekruten herrscht Kriegsangst. Die Grundausbildung ist für alle eine nervenzehrende knallharte Zeit.
Der gesamte Roman lebt von klaren Dialogen, die eins zu eins in der damaligen Umgangs-sprache, also ohne Anglizismen, wiedergegeben sind. Rudolf F. Thomas versetzt einem so klar und emotional in seine Erzählungen, als wären wir dabei gewesen. Er springt in Rückblicken zwischen verschiedenen familiären Erlebnissen hin und her, um die Vorgeschichte zu beschreiben.

Angenehm ist seine Ausdrucksweise. Vortrefflich sein klarer prägnanter Schreibstil, mit dem er erkennbar auf unser Kopfkino abzielt. Der Autor ist ein Verfechter kurzer Sätze, was er mit seinem Roman wieder einmal eindrucksvoll bestätigt.

Der Roman „Morgenlatten – Gefährten der Maturität“ ist im Verlag tredition GmbH in Hamburg als Hardcover mit 424 Seiten (ISBN 978-3-7482-2699-4) und als Paperback sowie als E-Book erschienen.

„Es ist zwar nur schwer zu beurteilen, wie die heutige Jugend diesen wortgewaltigen Ausflug in das Nachkriegsdeutschland annimmt. Aber für die Generation ihrer Eltern müsste der Roman zur Pflichtlektüre avancieren. Die einmalige Schreibweise ist das Markenzeichen des Autors, dem es gelungen ist, seine Leserschaft zu fesseln.“ (Dr. Joachim H. Bürger, Autor u. Rezensent)

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