90 Jahre Weimarer Verfassung – Launch des Virtuellen Parlaments (VIPA), 11.08.2009

90 Jahre Weimarer Verfassung – Launch des Virtuellen Parlaments (VIPA), 11.08.2009

Vorstellung und Eröffnung der Internet-Plattform Virtuelles Parlament zur
Unterstützungeiner politischen Kultur des 21. Jahrhunderts

11. August 2009, 19.00 Uhr | Schwarzburg, Hotel Weißer Hirsch

Am 11. August 1919 unterzeichnete Friedrich Ebert in Schwarzburg die Weimarer
Verfassung. Den 90. Jahrestag dieses Ereignisses nehmen die Weimar-Jena-Akademie
und die Trans-Media- Akademie Hellerau (TMA) Dresden zum Anlass, die Internet-Plattform
Virtuelles Parlament öffentlich vorzustellen und erstmals frei zu schalten.

Netzdemokratie im Aufwind?
Wir erleben gegenwärtig, wie sich innerhalb der innovativen Verkehrsform Internet
Möglichkeiten einer virtuellen Demokratie herausbilden, in der sich engagierte und
kompetente Bürger-User gleichermaßen als Produzenten, Empfänger und kooperative
Instanzen der politischen Kommunikation und (Meinungs-)Bildung etablieren. Der
Wahlkampf von Barack Obama hat gezeigt, wie neue Formen web-basierter politischer
Partizipation Menschen mobilisieren und vernetzen können. Das Pilotprojekt der Internet-
Plattform Virtuelles Parlament versteht sich als parteienunabhängiger politischer Wissens-
und Entscheidungsgenerator zur Unterstützung einer politischen Kultur des 21.
Jahrhunderts. Anlässlich der On-Line-Schaltung der Plattform www.virtuellesparlament.de
werden zur Veranstaltung Bezüge zur aktuellen politischen Praxis sowie Perspektiven
einer netzbasierten politischen Partizipation und Entscheidungsfindung zur Diskussion
gestellt.

Das Virtuelle Parlament
– ermöglicht eine öffentliche Analyse und Diskussion von politischen Gestaltungsfeldern
– basiert auf der permanenten aktiven Beteiligung und Interaktion engagierter Bürger
– fördert die aktive Beteiligung an der Entwicklung von demokratischen
Entscheidungsalternativen, deren Veröffentlichung und Abstimmung
– öffnet die institutionalisierte Parteiendemokratie und bietet Zugang zu Foren,
Ausschüssen und Entscheidungen im Plenum
– generiert persönliche Lebenserfahrungen und das fachliche Wissen von Bürgern
– ist ein offener Prozess der Gestaltung politischer und technischer Grundlagen einer
netzgestützten politischen Kultur und Bildung

Warum Schwarzburg?
Nahezu alle Veranstaltungen des Jubiläumsjahres 2009, insbesondere der 7. Februar, an
dem sich die Konstituierung der Nationalversammlung jährte, fanden in Weimar statt. Dabei
ist aus dem Blick geraten, dass die Unterzeichnung der Verfassung in Schwarzburg kein
zufälliges Ereignis war. Ebert und Teile der Reichsregierung hielten sich im Sommer 1919
in Schwarzburg auf und regierten von hier aus das deutsche Reich. Symbolkraft hat
darüber hinaus die Tatsache, dass die Schwarzburger Fürsten als Letzte von ihren Ämtern
zurück traten und damit endgültig den Weg frei machten für die Weimarer Republik. Auch
darüber wird die Veranstaltung am 11. August informieren.

Schloss Schwarzburg – eine Investruine des Dritten Reiches. Bis 1940 war die
Schwarzburg, eine der bedeutendsten Schlossanlagen Mitteldeutschlands, noch völlig
intakt und wurde von der letzten Fürstin als ständiger Wohnsitz benutzt. Die Idee, das
Schloss zu einem Reichsgästehaus des „Führers“ umzubauen, führte 1940/41 zu
schweren Eingriffen in die historische Bausubstanz und ersten Umbauten im Stile der NS-
Architektur. Nach dem Scheitern des Blitzkrieges gegen die Sowjetunion wurde das
Vorhaben jedoch 1942 aufgegeben. Seitdem präsentiert sich das Schloss gewissermaßen
als Investruine, die auf ihre Weise die in Beton gegossene Ideologie der NS-Zeit
anschaulich macht.

Programm:
17.30 Uhr | Kristine Glatzel, Förderverein Schloss Schwarzburg
Führung durch Schloss Schwarzburg (Treffpunkt am Hotel Weißer Hirsch)

19.00 Uhr | Dr. Burkhardt Kolbmüller, Weimar-Jena-Akademie:
Begrüßung und Einführung

19.15 Uhr | Dr. Richard Dewes, Bechstedt
Friedrich Ebert in Schwarzburg

19.30 Uhr | Dr. Klaus Nicolai, TMA Hellerau Dresden
Das Virtuelle Parlament – Eine neue Form der Beteiligung und Abstimmung politischer
Gestaltungsalternativen. Anliegen und Hintergründe des Projektes zur Unterstützung einer
demokratischen Kultur des 21. Jahrhunderts

20.00 Uhr | Offizielle Freischaltung und Präsentation der Internetseite
www.virtuellesparlament.de

anschl. Diskussion und Erfahrungsaustausch

Für auswärtige Gäste besteht die Möglichkeit der Übernachtung am historischen Ort der
Unterzeichnung der Weimarer Verfassung (Hotel Weißer Hirsch) oder in anderen
Quartieren im Ort. Schwarzburg ist mit Bahn oder PKW erreichbar. Das Hotel „Weißer
Hirsch“ befindet sich im oberen Ortsteil am Eingang zu den Schlossterrassen (Friedrich-
Ebert-Platz 13, 07427 Schwarzburg). Wir bitten um Anmeldung per Telefon: (03643-
495574) oder E-Mail:(info@demokratielab-weimar.de).

KOMMENTAR der VIPA Redaktion: Nico Klausinger

Mittlerweile werden im ehemaligen FDGB Ferienheim „Weißer Hirsch“ in Schwarzburg unter
dem Motto „Für unsere VIPA-Werktätigen das Beste!“ die Teppiche ausgerollt. Zur
Entscheidungshilfe bei der Wahl der Anzugsordnung hat das “Haus“ bezüglich des
Tragens von Herren-Anzügen folgendes übermittelt: „Es gibt zwei Varianten im Anzug zu
erscheinen: Die erste bezeugt die Liebe zu einem auserlesenen guten Tuch und einer
gewissen Hingabe beim Tragen des handgeschneiderten Kostüms. Die zweite Variante
begnügt sich mit der Unterwerfung unter konventionelle Anzugsordnungen.“ Wir
entnehmen dieser Ansage, dass jeder das tragen sollte, was er liebt, also keine
Beliebigkeiten.

Des Weiteren gehen irrelevante Gerüchte um:
Eine Gerüchteküche interpretiert das VIPA Projekt einer parteienunabhängigen
netzdemokratischen Beteiligungsplattform als „Frontalangriff“ auf den
Realparlamentarismus im Superwahljahr. Einer solchen Auffassung ist deutlich zu
widersprechen: Das Virtuelle Parlament basiert auf Grundwerten demokratischer
Gesellschaften: persönliche Initiative, Zusammenarbeit, Anerkennung,
Interessenausgleich, Engagement, Beteiligung und freie Meinungsäußerung! „Virtuell“ und
„Real“ stehen sich niemals konfrontativ gegenüber, durchdringen und überlagern sich aber
prozessual.
Das Gerücht aus der zweiten Küche interpretiert die Anknüpfung an den 90. Jahrestag der
Unterzeichnung der Weimarer Verfassung durch Friedrich Ebert als verstecktes
Wahlmanöver von mehr links stehenden sozialdemokratischen Aufklärungs-Aktivisten.
Auch diesem Gerücht ist zu widersprechen! Wir sind uns der Ambivalenz dieser Verfassung
in ihrer historischen Bedeutung bewusst. Wir knüpfen deshalb historisch an, weil es zu
einer Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaftsgestaltung keine Alternative gibt.
Das Internet und die sich darin entfaltenden Potenziale des „Social Netzwork“ bekräftigen
ein Work-In-Progress demokratischer Partizipation. Diese geht nicht von egozentrierter
Hyperpräsenz, konkurrierenden Parteien, zyklischen Wahlakten, demoskopischen
Prophezeiungen und passiven Zuschauern aus. Empfänger „mutieren“ zu Sendern! Eine
verordnete Demokratie von oben herab – wie die Weimarer – scheiterte nicht nur in
Ermangelung von Demokraten. Sie scheiterte auch an den Mitteln und Mächten
zentralistischer Massenmedien. VIPA ist eine Initiative von ganz unten, also aus der Tiefe!

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