Die Erkenntnis ist verblüffend und zugleich alarmierend: Ein großer Teil der medizinischen Fachwelt scheint eine der wichtigsten Zellarten des Immunsystems kaum zu kennen. Rund 40 % der Onkologen und Hämatologen wissen nicht, welche Schlüsselfunktion dendritische Zellen im Immunsystem übernehmen. Noch weniger bekannt ist, dass ihr Entdecker, Dr. Ralph M. Steinman, 2011 für diese bahnbrechende Entdeckung den Nobelpreis für Medizin erhielt.
Auch bei Hausärzten und Heilpraktikern besteht erheblicher Nachholbedarf. Während Makrophagen – die „Fresszellen“ – vielen ein Begriff sind, bleibt die eigentliche „Immunpolizei“, die dendritische Zelle, weitgehend unbekannt. Dabei sind gerade diese Zellen die zentralen Wächter unseres Körpers: Sie spüren Pilze, Viren, Bakterien und entartete Zellen auf und präsentieren diese den T-Helferzellen, um eine gezielte Immunantwort einzuleiten. Ohne dendritische Zellen wäre kein funktionierendes Immunsystem denkbar.
Immunologie in Studium und Praxis – ein unterschätztes Fundament
Immunologische Grundlagen sind seit vielen Jahren fester Bestandteil des Medizinstudiums und in den offiziellen Lernzielkatalogen (NKLM) sowie der Ärztlichen Approbationsordnung verankert. Dennoch zeigt sich im klinischen Alltag häufig, dass das Wissen über die komplexen Zusammenhänge des Immunsystems – insbesondere bei neuen Zell- und Immuntherapien – nicht immer präsent ist.
In der Facharztausbildung für Onkologie und Hämatologie stehen leitlinienbasierte Verfahren wie Chemotherapie, Bestrahlung oder Antikörpertherapie im Vordergrund. Immuntherapien und zellbasierte Verfahren, darunter auch die dendritische Zelltherapie (DZT), gewinnen zwar zunehmend an Bedeutung, sind jedoch noch kein regulärer Bestandteil der onkologischen Standardausbildung.
Auch im Bereich der Naturheilkunde besteht Nachholbedarf. Da es für Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker keine einheitliche, staatlich geregelte medizinische Ausbildung gibt, variiert der immunologische Kenntnisstand teils erheblich. Viele bringen großes Engagement und ein starkes Interesse an biologischer Medizin mit – doch gerade hier ist ein solides Verständnis immunologischer Prozesse entscheidend, um moderne Therapien einordnen und verantwortungsvoll anwenden zu können.
Diese Beobachtungen sollen kein Vorwurf sein, sondern ein Appell: Das Immunsystem bildet die Grundlage jeder Heilbehandlung – ob konventionell oder biologisch. Wer versteht, wie der Körper Krankheit erkennt und bekämpft, kann Patientinnen und Patienten fundierter und ganzheitlicher begleiten.
Die Zukunft der Krebsmedizin ist immunologisch
Personalisierte Immuntherapien, darunter die dendritische Zelltherapie, nutzen patienteneigene Zellen, um das Immunsystem gegen Krebszellen zu schärfen. Zahlreiche Studien belegen, dass diese Verfahren – insbesondere in Kombination mit etablierten Therapien – das Potenzial haben, langfristig stabile Krankheitsverläufe zu fördern.
„Die Immunologie darf kein Randthema mehr sein“, betont Andreas Rach, Gründer von IMMUMEDIC Limited, einem europaweit tätigen Netzwerk für innovative Zelltherapien. „Wer Krebs verstehen will, muss das Immunsystem verstehen. Die Zukunft der Onkologie ist immunologisch – und sie beginnt mit Wissen.“
Weitere Informationen
Mehr über die Rolle dendritischer Zellen und neue Ansätze in der personalisierten Krebstherapie finden Sie unter: www.gesundheitsratgeber-krebs.de