Zu beobachten ist die Entwicklung vor allem in den sogenannten Big-8-Städten in Deutschland. Am Beispiel von Eigentumswohnungen lässt sich die reduzierte Dynamik sehr gut beobachten. So stiegen die mittleren Angebotspreise im Jahresvergleich um rund 7,5 %, und somit nur halb so stark wie im Jahr zuvor. Die größten Preisrückgänge im Vergleich zum Vorjahr sind in Leipzig zu beobachten. Und auch bei Häusern stellt sich die Lage ähnlich dar.
Kommentar von André Heid, M.Sc. Geschäftsführer von Heid Immobilienbewertung und Sachverständiger.
Rückgänge auch in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart
Laut dem bekannten Immobilienportal Immowelt haben sich die Vorzeichen bzgl. der Preisentwicklung auch in den Großstädten Hamburg, Frankfurt und Stuttgart erstmals nach vielen Jahren gedreht. Im Verlauf des letzten Quartals verzeichneten alle drei Städte deutliche Preisrückgänge:
• In Hamburg gaben die Preise aufgrund der schwindenden Nachfrage bereits um 2 Prozent nach, der Quadratmeterpreis liegt aktuell bei 6.653 Euro.
• In Frankfurt ist der Preisrückgang mit 3 Prozent noch deutlicher, der Quadratmeterpreis liegt damit aktuell bei 6.470 Euro.
• Stuttgart hat wie Hamburg ebenfalls einen Preisrückgang von 2 Prozent zu verzeichnen, hier liegt der Quadratmeterpreis nun bei 5.559 Euro.
In vielen anderen Städten verhält es sich ähnlich. Lediglich in Berlin kam es bis jetzt noch zu keiner Trendumkehr.
Wo liegen die Gründe für den Preisrückgang?
Eine hohe Inflation, die sich anbahnende Energiekrise und viel globale Unsicherheit sind normalerweise keine Zutaten für einen boomenden Markt. Und auch die Bauzinsen tragen derzeit ihren Teil dazu bei, dass Käufer und Bauherren fern bleiben oder zumindest abwarten. Lagen sie zum Jahresanfang noch bei 1,0 %, sind sie aktuell laut des Immobilienfinanzierers Interhyp bei 3,91 %. Hinzu kommen immer höhere Baukosten durch die Verteuerung der Materialien und durch Lieferengpässe, die sich durch die allgemein angespannte Wirtschaftslage ergeben.
Der deutsche Immobilienmarkt scheint also aktuell von den Realitäten eingeholt zu werden, sichtbar auch am Immobilienindex, welcher in Deutschland im August auf 222,97 Punkte gesunken ist. Für die in den nächsten Tagen veröffentlichte Zahl für September wird ein noch niedrigerer Wert erwartet.
Auch ein neuer Bericht des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung schlägt in die gleiche Kerbe. Der deutsche Immobilienmarkt wächst seit 2009 ununterbrochen, diese Phase des schnellen Wachstums könnte nun zu Ende gehen. Das Institut rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang der Umsätze von Gewerbeimmobilien und Grundstücken um 7 % auf rund 315,5 Mrd. Euro.
Holger Zschaepitz von der Welt verkündete ebenfalls, dass der deutsche Immobilienboom vorbei sei, und verwies diesbezüglich auf ein Diagramm des größten deutschen Immobilienfinanzierers, der Hypoport-Gruppe, deren Aktien um 34 % einbrachen, nachdem sie ihre Prognose für das Gesamtjahr ausgesetzt hatte. Grund sei, dass sich die Kunden bei der Finanzierung von Wohnimmobilien immer stärker zurückhalten. Kein Wunder: Die Wohnungsmärkte sind derzeit gefangen zwischen Inflation, der Zinswende, dem Anstieg der Baukosten, dem Neubaubedarf der Realwirtschaft und klimapolitischen Zielen. In dieser von Unsicherheit geprägten Phase sind viele Menschen zurückhaltend und verschieben ihre Investitionsentscheidungen.
Gibt es auch gegenteilige Prognosen?
Trotz der Trendwende glaubt man beim Hamburger Gewos-Institut nicht daran, dass die Preise dauerhaft sinken werden. Hierzu sei der Druck auf den deutschen Immobilienmarkt aufgrund der starken Zuwanderung und weiterer Faktoren zu hoch. Unbedingt notwendige und teils bereits geplante Neubauten werden derzeit aufgrund der steigenden Kredit- und Energiekosten nicht realisiert, was den Druck auf den Markt nochmals verstärkt. Daher glauben die Experten hier lediglich an eine vorübergehende Stagnation bzw. Formschwäche, so dass sich der Trend jederzeit wieder umkehren könnte.
Fazit
Nach jahrelangem Aufwärtstrend auf dem Immobilienmarkt verzeichnet dieser aktuell erstmals Rückgänge. Diese sind klar zu begründen und basieren auf allseits bekannten Einflüssen wie etwa der Wirtschaftskrise mit entsprechender Inflation. Ob und wie lange die Entwicklung anhalten wird, kann noch niemand einschätzen – zu unsicher ist der Ausblick in die Zukunft angesichts der derzeitigen Lage. Es bleibt also spannend!