Der Mythos hat ein Ende
Seit der Erstbesteigung im Mai 1953 hat der Mount Everest Menschen
immer wieder in den Bann gezogen. Sie wollen ihn bezwingen, den
höchsten aller Berge. Und als sei das nicht genug, werden wie am
laufenden Band Rekorde gebrochen: die erste beinamputierte Frau auf
dem Gipfel, der erste 80-Jährige und damit älteste Mensch, die erste
Frau aus Saudi-Arabien und die erste Frau aus Pakistan.
Mittlerweile hat der Berg seinen Mythos verloren. Denn die
Hobby-Bergsteiger, die heute den Everest erklimmen, haben wenig mit
den Helden von damals gemein.
Im Gegensatz zu den Erstbesteigern, bei denen es noch um Leben und
Tod ging, bei denen es unklar war, ob sie den Gipfel überhaupt
erreichen, haben die Kletterer von heute nicht mehr viel zu
befürchten. Sherpas geleiten sie entlang sicherer Wege und tragen ihr
Gepäck, Helfer versorgen sie mit Essen. Wer vor Erschöpfung nicht
mehr weitergehen kann, wird notfalls von Sherpas getragen. Am Ende
zählt das Bild vom Gipfel – nichts weiter. Es ist der Beweis für die
Leistungskraft und das Ausdauervermögen.
Doch die Touristen sollten sich fragen, ob sie den Berg nur aus
reiner Selbstbestätigung bezwingen, um sich etwas zu beweisen. Das
Gefühl, was die Erstbesteiger Edmund Hillary und Tenzing Norgay
hatten, werden sie so nie nachvollziehen können. Inzwischen stehen
sie auf dem Berg im Stau.
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207