Neue OZ: Kommentar zu Minderheiten / Sprachen

Friedhof der Ideen

Immer wieder mal ist von der Bedrohung des Deutschen die Rede, ob
es dabei nun um die Anglizismen in der Werbung geht, um das
Amerikanisch der Pop-Musik oder den Bedeutungsverlust, den das
Deutsche als einstmals führende Wissenschaftssprache erlitten hat.
Die Nachricht vom drohenden Exitus Tausender Sprachen relativiert
diese Sorge gewaltig: Wirklich bedroht sind Minderheiten-Sprachen,
die von der Globalisierung ins Abseits gedrängt werden, ein
dramatischer Niedergang, der seine Wurzeln im Kolonialzeitalter hat.

Der Verlust ist bitter, weil der sozialen Verdrängung die geistige
folgt. Und weil ein historisches Unrecht, etwa an den indigenen
Völkern, auf der kulturellen Ebene verdoppelt wird. Der Schaden lässt
sich nicht ermessen: Mit jeder Sprache erlischt ein Wissenskosmos.
Auf dem Friedhof der Worte ruhen Mythen, Ideen, Einsichten in die
Natur und den Menschen. Unmerklich verschwinden die Alternativen zur
westlichen Weise, die Welt zu begreifen.

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Neue Osnabrücker Zeitung
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