Neue OZ: Kommentar zu Theater / Jelinek

Über Emotionen reden

Elfriede Jelinek ist dafür bekannt, ihre Kritik an bestimmten
gesellschaftlichen Phänomenen auf die Spitze zu treiben. Spätestens
seit ihrem Roman „Lust“ hat ihr Zorn derart zynische Züge angenommen,
dass nicht jedem Leser oder Theaterzuschauer eindeutig klar ist, auf
welcher Seite sie steht. Pornografie warfen der Feministin 1989 nicht
nur ihre ideologischen Gegner vor.

Ähnliches lässt sich auch im Theater erleben. Wo Kritik nicht
verbal eindeutig als Kritik benannt wird, gerät eine Aussage selbst
schneller in Verdacht als früher: als Rassismus, Antisemitismus oder
anderes. Das Vertrauen ins Theater ist offenbar verunsichert.
Vielleicht durch seine Grenzüberschreitung in tabuisierte Gefilde.
Vielleicht, weil Film und Fernsehen längst das Unzumutbare als
täglich Brot anbieten. Da soll wenigstens das Theater halbwegs sauber
bleiben. So weit, so verständlich. Doch Bühnen bieten erregten
Gemütern längst Gesprächsforen an, Film und Fernsehen eher selten.
Primitive Attacken wie Bespucken haben also dort nichts zu suchen.

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