Zum Erfinden neuer Denkansätze und
Lösungswege für aktuelle Problemstellungen scheint heute eine
interdisziplinäre oder fächerübergreifende Zusammenarbeit
verschiedener Wissenschaftszweige unabdingbar. Julie Freifrau von
Wendelstadt, der Schulgründerin von Schloss Neubeuern, scheint dieser
Gedanke schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts geläufig
gewesen zu sein. Ihrer Lebensmaxime „Noblesse oblige – Adel
verpflichtet“ folgend lud sie mit ihrer Schwägerin Gräfin Ottonie
Degenfeld-Schonburg zur Förderung eines transdiziplinären
Gedankenaustausches immer wieder bedeutende Zeitgenossen wie Hugo von
Hofmannsthal, Franz von Lenbach, Max von Schillings oder Henry van de
Velde ein.
Denn ebenso wie unsere heutige Zeit von den noch nicht absehbaren
Folgen der Globalisierung, war auch die Jahrhundertwende vom 19. ins
20. Jahrhundert mit der Proklamation des Deutschen Kaiserreiches und
der folgenden Hochindustriealisierung von starkem wirtschafts- und
sozialgeschichtlichem Wandel geprägt. Aus dem bis dahin
landwirtschaftlich geprägten Deutschland wurde in den letzten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begleitet vom Ausbau des Handels-
und Bankenwesen ein deutlich industriell ausgerichteter Staat.
Die siebenbändige Ausgabe der Gästebücher des Schloss Neubeuern
stellt also nicht nur ein einzigartiges Dokument über die Zeitspanne
von 1882 bis 1939 dar, sondern kann auch jeden
verantwortungsbewussten Leser animieren, diese gute Tradition des
regen und bis heute andauernden Gedankenaustausches außerhalb der
Schlossmauern Neubeuerns fortzusetzen.
Und bei alledem ist die Lektüre nicht nur äußerst informativ,
sondern auch ein ausgesprochenes Vergnügen und eine wahre Fundgrube.
Denn die Gästebücher enthalten neben schriftlichen Eintragungen und
einfachen Danksagungen auch eine Fülle von Gedichten, Skizzen, Fotos
und Collagen. Man findet schwarz-weiße wie colorierte Feder-,
Bleistift- und Tuschzeichnungen, sowie das eine oder andere Portrait.
Und zwischendrin stößt man z.B. plötzlich auf so Überraschendes, wie
eine „Warnung vor der Influenza aus dem Osten“ vom Dez. 1889.
Weitere Informationen:
www.gaestebuecher-schloss-neubeuern.de
r.kaesinger@t-online.de
Mobil +49-0-162-8581251