OECD-Studie: Mehr Mittel fuer mehr Chancengleichheit in der Bildung – Studienpakt auf den Weg bringen

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Anlaesslich der heutigen Veroeffentlichung der OECD-Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick 2009“ erklaert der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Ernst Dieter Rossmann:

Die OECD-Studie ist der richtige Weckruf zur richtigen Zeit in der deutschen Bildungspolitik. Sie belegt erneut einen nicht nachlassenden Handlungsbedarf von Bund, Laendern und Bildungseinrichtungen, um die Leistungsfaehigkeit unseres Bildungssystems gerade im internationalen Vergleich zu verbessern. Fuer Zufriedenheit ist kein Platz, wenn etwa die Bildungsausgaben relativ weiter fallen, die Studienreformen versagen und vor allem weiterhin die hoehere soziale Herkunft der wichtigste Garant fuer eine erfolgreiche Bildungsbiografie ist. Bildung ist ein Menschenrecht und ein sozial selektives Bildungssystem verletzt dieses Grundrecht. Es raubt den Kindern und Jugendlichen Zukunftschancen und verschwendet dringend benoetigte Fachkraeftepotenziale Deutschlands. Deshalb brauchen wir einen neuen Bildungsaufbruch in Deutschland, der mehr Mittel fuer mehr Chancengleichheit in der Bildung fuer alle sichert.

Fuer die SPD gibt es dazu keine Alternative.

Erstens: Vor allem beim Ziel von Bund und Laendern vom Bildungsgipfel in Dresden, bis 2015 mindestens sieben Prozent des BIP fuer Bildung aufzuwenden, ist der Weg wieder ein Stueck laenger geworden. Bis 2006 sind jedenfalls laut Studie die Bildungsausgaben nach OECD-Rechnung trotz der grossen Anstrengungen nach dem PISA-Schock relativ auf nun 4,8 Prozent des BIP gefallen. Der OECD-Mittelwert ist im gleichen Zeitraum aber sogar gestiegen, so dass die Beruhigungspille von KMK und auch Bundesministerin Schavan, es handele sich nur um „Umstrukturierungen“ oder den „Demografieknick“, nicht zu ueberzeugen vermag. Deutschland hat mit dem Ganztagsschulprogramm und den drei Bund-Laender Initiativen im Hochschulbereich grosse Fortschritte in den vergangenen sechs Jahren gemacht, auch sind die Konjunkturpakete bisher nicht beruecksichtigt. Diese Massnahmen allein werden aber nicht reichen, das Sieben-Prozent-Ziel zu erreichen. Wir brauchen dringend mehr Mittel fuer Bildung und Qualifizierung. Die SPD hat mit dem „Bildungsoli“ als Aufschlag auf den Spitzensteuersatz einen sozial gerechten Vorschlag auf den Tisch gelegt. Damit werden wir gut zwei Milliarden Euro im Jahr zusaetzlich fuer Bildung und Forschung erzielen.

Zweitens: Die OECD-Studie belegt den grossen Reformbedarf im Hochschulbereich. So erfreulich die steigende Studienanfaengerquote ist, so enttaeuschend sind die Tatsachen, dass die Studiendauer in Deutschland weiter international zu den laengsten zaehlt und die Abbrecherquote ebenfalls nicht verringert werden konnte. Aus dem 2. Nationalen Bildungsbericht wissen wir zudem, dass die Abbrecherquoten in BA-Studiengaengen deutlich hoeher sind und bis zu 39 Prozent reichen. Da auch die binnen- wie grenzueberschreitende Mobilitaet nicht im gewuenschten Masse erreicht wird, drohen wir alle drei grossen Ziele des Bologna-Prozesses zu verfehlen. Wer also den europaeischen Bildungsraum will, muss die deutsche Umsetzung schleunigst nachbessern. Hierzu muessen Bund, Laender und die Hochschulen kooperativ zusammenarbeiten. Die SPD schlaegt hierzu einen Hochschulgipfel vor, auf dem im Rahmen eines – neben Exzellenzinitiative und Hochschulpakt – dritten Pakts fuer ein gutes Studium und gute Lehre fuer alle – kurz: Studienpakt – auch hierzu entsprechende Vereinbarungen getroffen werden koennen. Es wird Zeit, aus dem „Buerokratieprojekt“ Bologna-Reform endlich eine Modernisierung der Hochschulen im Sinne der Studierenden und einer guten Lehre zu entwickeln.

Drittens: Schliesslich belegt auch die OECD-Studie aufs Neue den groessten Skandal des deutschen Bildungssystems: weiterhin entscheidet fast nirgendwo die soziale Herkunft ueber den Bildungserfolg staerker als in Deutschland. Eine echte Chancengleichheit ist fuer die sogenannten „bildungsfernen“ Schichten, wie etwa fuer sozial schwache Elternhaeuser oder Migrantinnen und Migranten, nicht gegeben. Trotz aller Reformen und „Fortschrittssymbolik“ sind wir hier keinen Schritt vorangekommen. Das kann so nicht bleiben. Wir brauchen einen neuen Bildungsaufbruch allein schon deshalb, um nicht weiter das Bildungsrecht vieler junger Menschen zu verletzen. Deshalb fordert die SPD, die Bildungsfoerderung auszuweiten und auch das Schueler-BAfoeG fuer die Oberstufe wieder einzufuehren.

Niemandem soll wegen akuter Geldnot die Tuer zum Abitur zugeschlagen werden. Zudem wollen wir mit der Berufsausbildungsgarantie die nachholende Berufsausbildung foerdern und so eine Kultur der zweiten und dritten Chance staerken. Auf die wirtschaftpolitische Notwendigkeit, auch diese Potenziale staerker zur Sicherung unseres Fachkraeftepersonals zu nutzen, sei hier nur hingewiesen.

Insgesamt ist die Studie eine warnende Aufforderung, gerade jetzt nicht in unseren bildungspolitischen Anstrengungen nachzulassen und sich zufrieden zurueckzulehnen. Deutschland ist zwar in den vergangenen elf Jahren sozialdemokratischer Regierungsverantwortung bildungspolitisch vorangekommen. Wir duerfen aber gerade jetzt in der Krisenbewaeltigung nicht nachlassen. Denn die Studie zeigt auch: Wenn es individuell, volkswirtschaftlich und auch steuerpolitisch sinnvolle und lohnende Kriseninvestitionen gibt, dann sind es Investitionen in Bildung und Qualifizierung.

© 2009 SPD-Bundestagsfraktion – Internet: http://www.spdfraktion.de

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