Robert Serban erscheint mit deutschsprachigem Gedichtband „Home Cinema“

Im nächsten Jahr wird der Pop Verlag aus Ludwigsburg deinen in Rumänien mehrfach preisgekrönten Gedichtband “Cinema la mine-acasă” in deutscher Sprache herausgeben. Beschreibe uns bitte dein „Home Cinema“, während du gespannt auf die Übersetzung wartest.

Es ist wie im Kino alles in Bewegung, weil ich, solange ich mich kenne, in ständiger Bewegung bin, eine innere und eine äußere Kinetik. Ich kann sie nicht auseinanderhalten, weil gerade an dem Tag, an dem ich diese Fragen beantworte, meine Tochter 18 Monate alt wird. Sie ist die jenige, die ein gewaltiges Tempo in mein Leben gebracht und die Vorrangigkeiten geändert hat. Ein grosser Teil meiner Energie wird von Crina verschluckt, die wie jedes Mädchen sehr an ihrem Vater hängt. Wenn ich zuhause bin höre ich nur “Papi, Papi”, und Papi versucht, andere Sachen liegen zu lassen, um ihr Zeit und Aufmersamkeit zu schenken.

In diese Kinderwelt bin ich wieder eingedrungen und von ihr fasziniert. Auch wenn ich manchmal ein bisschen frustriert bin, weil ich nicht mehr so viel Zeit zum Schreiben oder Lesen habe. Jedoch empfinde ich diese Zeit als eine besondere, bereichernde Erfahrung.
Ich werde all diese Geschichten, die ich mit meiner Tochter erlebt habe, in meinen kommenden Büchern schildern. Ich war und bin kein Literaturfanatiker und denke, dass beim Schreiben die Qualität zählt und nicht die Quantität.

Die Erscheinung meines Gedichtbands in Deutschland ist ein sehr besonderer Moment. Erstens sprechen wir von einer anderen Sprache, d.h. von einem anderen Leben. Ich weiss, dass die Dichtung kein besonderes Interesse findet und auch, dass ein Roman sowohl für Leser als auch für Kritiker viel verlockender klingt; aber es muss dazu gesagt werden, dass die Stärke der rumänischen Literatur die Dichtung ist. Ich behaupte es ohne Hochmut: die rumänische Dichtung ist sehr wertvoll.

Der Pop Verlag fördert Dichtung von guter Qualität, hier sind erstklassige rumänische Dichter erschienen: Nichita Stanescu, Ioan Flora, Rodica Draghincescu, Ioana Nicolaie, Emilian Galaicu-Paun. Das ist eine Umgebung, die mir Ehre macht. Die Übersetzung des Bandes “Cinema la mine-acasă” erscheint mit Unterstützung des Rumänischen Kulturinstitutes, dessen Bemühungen, in den letzten Jahren die rumänische Literatur im Ausland zu veröffentlichen, wirklich begrüsst werden muss.

Deine Werke sind in Dänisch, Schwedisch, Holländisch, Serbisch, Englisch, Polnisch, Tschechisch und Slowakisch übersetzt worden. Mit anderen Worten bist du einer der wenigen rumänischen Dichter, die es geschafft haben, einen so breiteten sprachlichen Raum zu erobern. Welche Chancen erhoffst du dir in all den Ländern, wohin deine Werke schon übersetzt sind?

Jeder Fremde wird mit viel Neugier angesehen. Der Leser denkt sich: Lass’ mal sehen! Was will der denn? Was unterscheidet ihn von den anderen?
Hier kommt etwas dazwischen: der Übersetzer. Du kannst nicht wissen wie sehr oder wie wenig er dich verrät, wieviel von der Würze und der Kraft der rumänischen Sprache in der anderen Sprache rüberkommt. Ich sehe also diese Erscheinungen mit einer gewissen Distanz, hoffe jedoch, dass sie die Aufmerksamkeit auf die rumänische Dichtung lenken werden.

Du hast sehr oft die Gelegenheit aus Rumänien fort zu reisen, dank deiner Werkstipendien, der Einladungen für Vorlesungen aus deinem Werk, und der internationalen Treffen, wohin du eingeladen bist. Auf welcher Weise fordert dich der Kontakt mit anderen Schriftstellern und ungewöhnlichen Orten in intellektueller, geistlicher und letztlich dichterischer Hinsicht heraus?

Jede Ausreise aus dem eigenem Umfeld ist eine Herausforderung. Jedes Treffen ist für mich stimulierend. “Home Cinema” ist ein Buch, dass ich größtenteils in einem Café in der Österreichischen Kleinstadt Krems geschrieben habe. Der Lärm, die Leute, die in einer Sprache sprachen, die ich nicht verstehen konnte, das ständige Hin und Her haben mich stimuliert, genervt, inspiriert. Ich führte Gespräche oder streitete mit ihnen, ohne dass sie es wussten: ich schrieb Verse.

Und daraus ist ein, so denke ich, gutes Buch mit Spannung entstanden. Die Literaturtreffen mit Schriftstellern oder mit den Lesern, bringen mich dazu, meine Handlungen und das Werk bewusster zu betrachten, mich im Spiegel anzuschauen.
So errinnere ich mich an mich, an den Schriftsteller, den ich darstelle, an die eigenen Strategien und “Waffen”. Manchmal müssen die Strategien geändert und die „Waffen“ geschärft werden. Man muss aus seiner eigenen Haut entkommen, um das wahrzunehmen.

Du behauptest von dir, dass du ein Typ bist, der schwer schreibt. Worin liegen die Schwierigkeiten? An Inspiration, Alltagsunbequemlichkeiten, an der Ideenwiedergabe?

Um Literatur schreiben zu können, brauche ich einen speziellen Zustand, eine Art Trance, in die ich mich versetze. Ich muss von meinem aktiven Leben und von meinen Pflichten abschalten. Dann brauche ich wieder Zeit, um mich mit mir selbst erneut anzufreunden, meine entferntesten Kapillare, meine dunkelsten oder hellsten Gedanken zu erkennen.

Wenn ich schreibe, backe ich keine Pfannkuchen. Ich kann nicht meine Ärmel hochklappen und Wörter auf Papier schreiben. Es braucht ein Vorspiel, manchmal ein sehr langes, um qualitätsvolle Seiten herauszugeben. Es ist nicht einfach …

Du bist nicht nur Dichter, sondern auch Schriftsteller, TV-Produzent, Kolumnist, Kunstkritiker, Verlagschef. Welche dieser Identitäten liegt dir eher am Herzen?

Ich liebe alles, was ich tue und mache alles mit Freude. Ich bin seit fast 10 Jahren in der TV-Branche, ich führe die Regie für meine eigene Kultur-Talk-Show, “A cincea roata” (“Das fünfte Rad”). Und immer noch nicht bin ich gelangweilt.
Ich schreibe seit sieben Jahren Leitartikel über die Welt, in der ich lebe, einen, zwei, auch drei in einer Woche, und ich fühle, dass ich immer noch was zu sagen habe.
Im Verlag lese ich Manuskripte und entscheide, welche davon Bücher werden. Es besteht die Chance, dass der Brumar Verlag auch im Ausland bekannt wird, nicht nur für die Qualität sondern auch für die Schönheit der herausgegebenen Bücher.

Kunstkritiker bin ich nur gelegentlich, dann, wenn meine Künstlerfreunde mich zu einer Vernissage einladen. Die Gespräche mit den “visuellen” Künstlern sind für mich sehr stimulierend, weil ich mit einer anderen, direkteren Ausdrucksart kommuniziere, die erschütternder und sichtbarer ist. Ich glaube aber gleichzeitig, dass auch Künstler überrascht sind zu sehen, wann und wie ihre Bilder in Worte und Sätze umgesetzt werden.

Ich schreibe sehr selten Prosa, habe aber eine gewaltige Lust, das zu machen. Es gibt da einige Ideen, ich spiele mit dem Gedanken, einen Roman zu schreiben und habe mich sogar dafür dokumentiert.

Um auf die Frage zurückzukommen: In jedem von uns gibt es mehrere Gestaltungen, mehrere Talente, unheimlich viele Wünsche. Die unterschiedlichen Tätigkeiten helfen mir, mich selbst zu entdecken. Aber mein genauestes “Navigationssystem” bleibt wahrscheinlich die Dichtung.

Auf welcher Weise opponiert Robert Serban, der Journalist, gegen Robert Serban, den Schriftsteller? Und in wie fern wird er unterstützt?

Beide Berufe stützen sich auf Wörter. Sie sind Geschwister, aber können auch Halbschwestern werden. Der Journalismus ensteht aus der Wirklichkeit, während die Literatur sich aus der Wirklichkeit inspiriert – wenn es sich nicht um Fiktion handelt.
Man sagt, ein Journalist sollte nichts von dem, was er hört, und nur die Hälfte von dem, was er sieht, glauben, d.h., er soll immer misstrauisch sein. Ein Schriftsteller muss wie ein Schwamm sein, er muss alles aufsaugen – er soll nichts filtern.

Hier ist er, der Antagonismus! Ich habe mich langsam aus dem Pressewesen zurückgezogen, dort habe ich täglich mehrere Artikel, Recherchen, Reportagen, Interviews geschrieben, habe nach Schlagzeilen gesucht, bin wie verrückt hin und her gerannt. Ich habe einen großen Teil meiner Schreibenergie mit Sachen verbraucht, die am nächsten Tag zu alt waren. Sie verdarben. Es ist interessant, als Schriftsteller mit der Presse zu experimentieren, man soll aber nicht da stehen bleiben.

In wie fern definieren, ändern, verwandeln dein gesellschaftlicher Background und deine eigene Biografie das Gedicht, das du schreibst?

Die Dichtung ist ein Land der absoluten Freiheit. Der, der sie schreibt, muss nicht an sein Alter, seine Ämter, an Verwandte oder Freunden denken. Er muss nicht fürchten: “Wenn das mein Chef sieht, wirft er mich raus.” Ich versuche, meine Unabhängigkeit als Dichter zu erhalten. Ich versuche zu vergessen, dass ich Vater bin, dass eine Menge Leute mich vom Fernsehen her kennen, dass ich eine öffentliche Person bin. Wenn ich die Wörter auf dem Papier schreibe, möchte ich mich nicht selber reinlegen, ich versuche nur auf mich und auf meine Esthetikkriterien zu achten. Ich hoffe es wird was werden ….

Was glaubst du, wie muss die Rüstung eines Dichters in der heutigen Verbrauchergesellschaft sein?

Die Dichtung hat heute sehr wenige Empfänger. Die Menschen sind in Eile, haben keine Zeit, Gedichte zu lesen. Dafür braucht man Ruhe und nicht das Bedürfnis, ständig auf die Uhr zu gucken. Die Geschwindigkeit der Welt, in der wir leben, wächst leider ständig.

Selbst dann, Dichter verschwinden nicht. Sie halten durch. Schwer zu sagen, was sie schützt. Die Rüstung kann auch ein Hugo-Boss-Anzug, ein Sportanzug, eine Jeans oder kurze Hose sein. Jeder Dichter hat die Rüstung, die zu ihm passt. Viel wichtiger ist vielleicht die Etikette. Die gibt dir eine Identität, macht dich besonders. Mit Etikette meine ich den Stil, die Schreibart. Ich glaube, dass je dünner und weniger schützend die Rüstung ist, um so kräftiger ist das Gedicht, das man schreibt.

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