Schwäbische Zeitung: Superman könnte es packen – Kommentar

Es gibt keinen Druck in der Arbeitswelt, es gibt
nur dezente Hinweise. Hinweise, die in Stellenanzeigen gar nicht so
dezent klingen. Im Anforderungsprofil verlangen potenzielle
Arbeitgeber gute Noten, praktische Erfahrungen, Sozialkompetenz
kombiniert mit ehrenamtlichem Engagement, Fremdsprachen und
Auslandserfahrung – und möglichst jung soll der angehende
Leistungsträger natürlich auch sein.

Im Job folgen weitere dezente Hinweise: Zusatzarbeit, Überstunden,
Wochenenddienste erwünscht – und mit dem festen Lohn abgegolten, die
Bereitschaft zur Tätigkeit in anderen Filialen und Abteilungen – der
Wechsel des Arbeitsortes wird vorausgesetzt.

Dabei geben Chefs nicht nur dezente Hinweise, sondern haben auch
noch Wünsche: Sie erträumen sich Mitarbeiter, die morgens glücklich
und ausgeruht am Schreibtisch erscheinen, ein erfülltes Familienleben
haben und das organisiert bekommen, in einer funktionieren
Partnerschaft mit Kindern leben, Sport treiben, in Vereinen aktiv
sind, ehrenamtliche Pflichten übernehmen, sich eben in die
Gesellschaft als verantwortungsvoller Bürger integrieren.

Campino und die Toten Hosen haben ein Lied geschrieben mit der
ironischen Zeile: „Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder
hilft.“ Sie passt zu den Forderungen, die die moderne Arbeitswelt an
den Arbeitnehmer stellt – denn die Forderungen sind unrealistisch.
Derjenige, der das alles unter einen Hut bringen soll, muss Superman
sein – oder nicht schlafen und jeden Tag 24 Stunden alles nur
Erdenkliche tun, um allen Ansprüchen zu genügen. Wer nachts schlafen
muss oder kein Superman ist, der wird krank, wenn er versucht, alle
Hinweise zu beachten und alle Wünsche zu erfüllen.

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Schwäbische Zeitung
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