Südwest Presse: Kommentar zum Tode von REICH-RANICKI

Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.“ Das
hat übrigens der einst gar nicht so feine Klassiker Johann Wolfgang
von Goethe geschrieben. Die Schriftsteller und ihre Kritiker – eine
heikle Geschichte. Aber jener Literaturkritiker, der nach 1945
ungemein polarisierte, der sich große Gefechte lieferte, der in
seiner TV-Sendung „Das Literarische Quartett“ Bücher segnete oder
verdammte und als „Literaturpapst“ gefeiert wurde – das war der
unerreichte Marcel Reich-Ranicki. Er war gelegentlich ein Clown der
Hochkultur – aber es ging diesem Intellektuellen doch immer um die
Sache, er war Anwalt der Leser: „Er hat wie kein anderer in unserem
Lande der Literatur Rang und Bedeutung gegeben.“ Das sagte gestern
sehr treffend Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des
Deutschen Buchhandels, zum Tode Reich-Ranickis. Natürlich, es gibt
wichtigere, weltpolitischere Themen, aber dass einer in dieser doch
oberflächlichen Zeit derart ernsthaft die Literatur popularisierte,
auch einem quatschenden Thomas Gottschalk Einhalt gebot, das war eine
bemerkenswerte kulturelle Leistung. Was das wirkliche Leben ist,
wusste Roman-Leser Reich-Ranicki allerdings auch. Ghetto statt
schöngeistigem Elfenbeinturm: Als Jude und Holocaust-Überlebender hat
er in einem Land, das erst Bücher, dann Menschen verbrannte, an der
deutschen Kultur festgehalten. Das nötigte selbst seinen Gegnern
großen Respekt ab.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
Telefon: 0731/156218

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