taz: Ex-Chefredakteur – Wulff hilft „Bild“ bei Imagewandel/ Udo Röbel – „Affäre ist Sechser im Lotto“/ Politik soll Bedeutungsverlust bei anderen Themen kompensieren

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Udo Röbel
erkennt im Vorgehen seines früheren Blattes in der Wulff-Affäre eine
Strategie. „In dem Moment, in dem alte Geschäfts- und Gefechtsfelder
nichts mehr bringen, muss ich mich nach neuen Feldern umsehen“, sagte
Röbel der taz (Donnerstagausgabe). „“Bild“ hat sich gefragt: Okay, wo
sind unsere öffentlich-medialen Bedeutungsfelder? Antwort: Politik.“
Die Zeitung habe sich in den Berliner Politikbetrieb integriert und
setze nun alles daran, dort als Agendasetter zu erscheinen.

Die Debatte um den Bundespräsidenten sei für „Bild“ ein
Meilenstein in dieser Strategie. „Die Wulff-Affäre ist ein Sechser im
Lotto für “Bild““, sagte Röbel der taz. „Und durch Wulffs blöden
Umgang mit der Affäre steht “Bild“ jetzt als Gralshüter der
Pressefreiheit da.“

Die Politik werde für das Massenblatt wichtiger. Bei anderen
Themen habe die Zeitung durch das Internet ihre Bedeutung verloren.
„Selbst Exklusivität ist kein Verkäufer mehr, weil die Leute gar
nicht mehr wissen, was exklusiv ist.“ Das Blatt bilde bei bunten
Themen nur noch ab.

Der Fall Wulff verweist nach Ansicht Röbels auch auf eine
zweigeteilte Medienwelt. In Blogs seien Grenzen überschritten worden.
„Wir haben Geschichten, die nur im Internet stattfinden und sich
offenbar im rechtsfreien Raum bewegen“, sagte der frühere
Chefredakteur. „Schizophren: wir reden darüber, ob es presserechtlich
zu verantworten ist, dass “Bild“ diesen Mailboxanruf veröffentlicht.
Und woanders im Internet wird das Persönlichkeitsrecht mit Füßen
getreten – und keiner diskutiert darüber.“

Röbel war von 1998 bis 2000 Chefredakteur der Zeitung. Heute
schreibt er Kriminalromane.

Pressekontakt:
taz.die tageszeitung
taz Redaktion
Georg Löwisch
Telefon: 030 259 02-169

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