Es wäre die Chance gewesen für die katholische
Kirche: Das Forschungsprojekt der Kriminologen hätte den Diözesen
helfen können, das zu tun, was sie seit Jahren predigen, aber bislang
schuldig geblieben sind. Aufzuklären, welche menschenverachtenden
Vergehen hinter den Mauern einiger kirchlicher Einrichtungen seit
1945 begangen wurden. Rückgrat zu zeigen, indem sie die Studie als
Schritt nach vorn, als Präventionsmaßnahme begreifen, nicht als
Angriff. Wahre Nächstenliebe zu beweisen, indem sie den Opfern mit
der schonungslosen Aufarbeitung ihr Recht auf die Wahrheit geben.
Dass die geistlichen Vertreter sich nun mit dem Argument verteidigen,
der Datenschutz ihrer Mitarbeiter sei nicht gewährleistet, erscheint
geradezu höhnisch im Vergleich zum Schutz der Menschenwürde, den ihre
Institution hunderten Kindern jahrzehntelang auf so grausame Art
verwehrte. Der Abbruch des Projekts ist daher ein Schnitt ins eigene
Fleisch: Was bleibt, ist nicht nur das Leid der Opfer, sondern der
geschädigte Ruf zahlloser unbescholtener Geistlicher, die nicht die
Chance erhalten, sich von den Verbrechern in ihrer Gemeinde zu
distanzieren. Es wäre nicht nur die Chance der katholischen Kirche
gewesen. Es wäre ihre Pflicht gewesen.
Iris Spiegelberger
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