Kinder sind wirklich seltsame Wesen: Tagsüber wollen
sie partout nicht hören, abends können sie gar nicht genug zu hören
bekommen. Da kann die Geschichte ruhig zur Gähn-Manipulation neigen,
da kann Papa ruhig stocken und stolpern beim Vorlesen – alles egal:
„Och, liest du noch “ne Seite?“ Kinder wollen keinen perfekten
Rezitator, sie wollen von Mama, Papa, Oma, Opa vorgelesen bekommen.
Und das sogar dann noch, wenn sie gerade selber lesen gelernt haben.
Vorlesen ist Zuwendung, Zuneigung. Und vielleicht haben Kinder sogar
ein Gespür dafür, dass sie in diesen Momenten etwas bekommen, was den
Erwachsenen überaus kostbar ist: Zeit. Allemal bekommen die Kleinen
auf der Bettkante oder im Lesesessel mit, wie wichtig es ist, sich
fremde Welten zu erschließen, auch für die Großen. Sie lernen den
Wert des Lesens schätzen – und eine Form von Bildung kennen, die
nicht im Kindergarten und auch in der Schule nicht vermittelt wird.
Zum Vorlesen reichen fünf, reichen fünfzehn Minuten am Tag. Die
müssen wir für unsere Kinder übrig haben. Sie sollten ja nicht
zeitlebens seltsame Wesen bleiben.
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