Der Eurovision Song Contest – ein Politikum? Wer im
Fernsehen drei Stunden mit rundgelutschtem Trallala und undosiertem
Feuerregen auf der Bühne erlebt hat, mag das erst gar nicht glauben.
Aber in einem überhitzten Europa ist eben alles politisch. Noch dazu,
wenn sich ausgerechnet Russland und die Ukraine um den Sieg streiten
– was für eine Dramaturgie in einer Larifari-Show, die allerdings
große internationale Aufmerksamkeit genießt.
Dass die russischen Kommentatoren hinter dem ukrainischen Sieg
eine gesamteuropäische Verschwörung wittern, ist natürlich
lächerlich, zeigt aber, wie aufgeladen die Stimmung ist. Sicher, ein
Lied über die Vertreibung der Krimtataren unter Stalin macht den
Russen in diesen Zeiten wenig Freude und ist, gemessen am lyrischen
Qualitätsmaßstab des ESC, von epochalem Tiefgang. Wer aber glaubt,
das schwierige Verhältnis zwischen Europa und Russland werde dadurch
noch stärker belastet, der glaubt auch, dass Nicoles Liedchen „Ein
bisschen Frieden“ ein paar Kriege verhindert hat.
Im Getöse ging ein versöhnlich stimmendes Detail unter: Die
Ukrainer fanden den russischen Beitrag am besten, die russischen Fans
wählten den ukrainischen Titel auf Platz 2. Ist doch schön.
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