Hochklassiges wissenschaftliches Programm zeigt deutliche Fortschritte in Teilbereichen der Neurochirurgie auf

> Joint-Meeting Koreanische Gesellschaft für Neurochirurgie (KNS)

Das erste Joint-Meeting mit der Koreanischen Gesellschaft für Neurochirurgie (KNS) war in das Hauptprogramm integriert. Prof. Dr. Volker Seifert, Tagungspräsident und amtierender Präsident der DGNC freute sich, dass etwa 100 Teilnehmer aus Korea angereist waren. „Die koreanische Neurochirurgie befindet sich auf einem sehr hohen Niveau, technisch exzellent. Die Vorträge der koreanischen Kollegen sind von einer enormen klinischen und wissenschaftlichen Qualität und eine große Bereicherung für das Programm“, so Prof. Seifert.

> Moderne und schonende Behandlung von Hirntumoren

„Bei der Operationstechnik von Hirntumoren und den zum Einsatz kommenden technischen Hilfsmitteln hat sich die Neurochirurgie in Deutschland in jüngster Zeit als bahnbrechend erwiesen“, erklärt Prof. Dr. Christian Senft, stellvertretender Klinikdirektor und Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt. Zu nennen sind die Anwendung intraoperativer Fluoreszenztechniken (5-Aminolävulinsäure) und die Verwendung der intraoperativen Kernspintomographie bei der mikrochirurgischen Resektion von Gliomen, genauso wie neurophysiologische Monitoringtechniken. Die patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Hirntumorbehandlung hat zu wesentlichen Fortschritten geführt, die sich positiv auf Lebensqualität und Prognose betroffener Patienten auswirkt. „Bei bestimmten Tumoren kann mittlerweile eine deutliche Verlängerung der prognostizierten Lebenszeit erzielt werden“, so Prof. Senft.
Neue postoperative Therapieansätze wie der Entwurf eines molekularen Tumorprofils, bieten dem Patienten eine effektivere Behandlung: „Anhand eines solchen Tumorprofils kann eine auf den jeweiligen Patienten maßgeschneiderte Behandlungsform gewählt werden. So können beispielsweise Dauer und Intensität der Chemotherapie optimal abgestimmt werden“, erläutert Prof. Dr. Volker Seifert, Tagungspräsident und Direktor der Klinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt am Main.

> Aneurysmen – Fachzentren als Anlaufstelle für Patienten

Neben weltweit renommierten Experten konnten die Leiter der wichtigsten internationalen Aneurysma-Studien der letzten Jahre (ISAT und BRAT) für die Konferenz in Frankfurt am Main gewonnen werden: Prof. Richard Kerr (Oxford, GB), Prof. Andreas Raabe (Bern, CH) und Prof. Robert Spetzler (Phoenix, USA). Auf höchstem wissenschaftlichem Niveau präsentierten sie auf der diesjährigen Jahrestagung der DGNC in Frankfurt ihre Ergebnisse.
Dabei ging es zentral darum, ob für Patienten das Clipping oder das Coiling zu empfehlen ist. Beim ersten Verfahren handelt es sich um das operative Einsetzen eines Clips von außen auf den Hals des Aneurysmas. Bei der Clipping-Methode wird die Blutzufuhr vollständig unterbunden und das Aneurysma praktisch ausgeschaltet. Beim Coiling wird über eine Art Kathetersystem eine Platinspirale innen in das Aneurysma geschoben, die dieses verschließt, den Blutfluss stoppt und eine Ruptur mit Hirnblutung verhindert.
Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass es nicht eine eindeutig bessere Therapie für alle Aneurysma-Patienten gibt.
Die passende Variante richtet sich nach der medizinischen Situation des jeweiligen Patienten, die Expertise verschiedener Fachgebiete beeinflusst die Entscheidung für die Therapieform.
Die Tagung hatte deshalb auch das Ziel, einen Anstoß zur Gründung weiterer, speziell ausgewiesener, disziplinübergreifender Zentren zu geben, in denen Patienten individuell beraten und therapiert werden. Zu den weltweit erfahrensten Fachzentren in der Mikrochirurgie von Hirnaneurysmen gehört das ‚Universitäre Hirngefäßzentrum Rhein-Main‘ des Universitätsklinikums Frankfurt.
„Wir haben hier in Frankfurt in Zusammenarbeit mit Kardiologen und Anästhesiologen ein Verfahren entwickelt, bei dem man mittels Kathetertechnik das Herz stillegen kann um dann nicht-rupturierte, entspannte Aneurysmen operativ verschließen zu können – wesentlich risikoärmer als bisher“, berichtet Prof. Seifert.

> Chirurgische Behandlung der Epilepsien

Studien zeigen, dass Patienten mit medikamentös nicht kontrollierbarer Epilepsie von einem chirurgischen Eingriff profitieren können. Eine noch in diesem Jahr erscheinende Arbeit zeigt zudem auf, dass die Mortalität nach einem Eingriff auf ein Drittel reduziert werden kann. PD Dr. Thomas Freiman, Leitender Oberarzt an der Klinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt am Main, stellte auf der Pressekonferenz zur Jahrestagung neue, vielversprechende Verfahren zur Behandlung medikamentenresistenter Epilepsiepatienten vor: „Deutliche Fortschritte erlebt die moderne Epilepsiechirurgie dank sich schnell entwickelnder Bildgebung“, so Dr. Freiman.
Mithilfe weit fortgeschrittener Bildgebungsverfahren kann bereits vor der Operation der Epilepsieursprung im Gehirn lokalisiert werden. Bleibt unklar, ob eine Operation Defizite mit sich bringt, folgt eine invasive prächirurgische Diagnostik.
Hier gewinnt die Stereo-Enzephalographie (sEEG) zunehmend an Bedeutung, bei der Elektroden ins Gehirn implantiert werden, die sowohl auf den Ort des Epilepsieherdes schließen lassen, als auch mittels elektrischer Stimulation dabei helfen, Sprach- und Bewegungszentren zu lokalisieren. Das Universitätsklinikum Frankfurt verfügt hierfür über einen OP-Roboter (Robotic-Surgical-Assistant, ROSA), der eine schnelle, hochpräzise Implantation von sEEG-Elektroden erlaubt.
In der Therapie von schwer zugänglichen Läsionen empfiehlt sich das stereotaktische Ablations- (Koagulations-) Verfahren mittels Radiofrequenz oder Laser. Ein weiteres Verfahren ist die Durchtrennung des Nervengewebes, die das betroffene Areal entkoppelt. Ist der Epilepsieherd nicht zugänglich oder droht bei seiner Entfernung ein neurologisches Defizit können zur Langzeitanwendung auch stimulierende Elektroden implantiert werden.

> Multimodale Bildgebung und Neurophysiologie als wesentliche Grundlage des Fortschritts

Die rasante Entwicklung im Bereich der Bildgebung trägt wesentlich zu den aktuellen Fortschritten in der Neurochirurgie bei. Während prä- und intraoperative Bildgebung zerebrale Strukturen erkennen lassen, ermöglicht ein neurophysiologisches Untersuchungsverfahren die Beurteilung und Überwachung der Funktionen dieser Strukturen.
Studien zeigen, dass bei Anwendung des intraoperativen neurophysiologischen Monitorings während Tumoroperationen bedeutend weniger Patienten postoperative Einschränkungen aufweisen, bei zugleich größerem Ausmaß der Tumorentfernung. „Wird ein Patient nahe an einem für Sprache relevanten Areal operiert, ist allerdings weiterhin die Operation am wachen Patienten die erste Wahl. So kann man die Sprachfunktion während des Eingriffs überwachen und erhalten“, erklärt PD Dr. Marie-Thérèse Forster, Oberärztin an der Klinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt am Main.

> Wirbelsäule – schonende Verfahren verhelfen auch älteren Menschen wieder zu Mobilität

In Bezug auf operative Eingriffe an der Wirbelsäule bei älteren und vorerkrankten Patienten sprechen sich die Experten deutlich für eine individuelle Entscheidungsfindung aus. Den Vorwurf, es werde zu viel und zu schnell operiert, weist Prof. Dr. Lutz Weise, Oberarzt an der Klinik für Neurochirurgie der Universität Frankfurt am Main, als „zu pauschal“ zurück. „Lange Liegezeiten und die daraus resultierenden Folgen wie Lungenembolien oder Muskelabbau können durch minimalinvasive, stabilisierende Eingriffe vermieden werden,“ so Prof. Weise. Die moderne Wirbelsäulenchirurgie ermöglicht es, auch Patienten fortgeschrittenen Alters ihre Mobilität und damit mehr Lebensqualität zurückzugeben.

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