Eigentlich ist es in Gesellschaften, in denen Nahrungsmittel zu günstigen Preisen im Überfluss zur Verfügung stehen, nicht schwer, sich gesund zu ernähren. Diese simple Erkenntnis will aber niemand hören. Sie widerspricht entschieden dem Zeitgeist, der entgegen seriösen wissenschaftlichen Studien unsere heutige Ernährung zum Sündenbock für die zunehmende Anzahl übergewichtiger Menschen und zahlreicher Krankheiten erklärt. Das ist auch schön praktisch: Statt Eigenverantwortung für eine ausgeglichene Energiebilanz zu übernehmen, zu der insbesondere ein bewegungsaktiver Lebensstil gehört, wird die Schuld für zu viele Pfunde der Lebensmittelindustrie zugeschoben. Dadurch wird zwar niemand ein Gramm leichter, muss aber kein schlechtes Gewissen haben. Schuld an den Pfunden sind eben die anderen.
Und was tut die Politik? Sie greift den Zeitgeist auf und verstärkt ihn, indem sie unsinnige Forderungen nach einer Lebensmittelampel oder Zuckersteuer diskutiert. Das gefällt natürlich vor allem den Menschen mit eigener Ernährungsphilosophie, denen es ein Dorn im Auge ist, wenn Menschen noch Spass am Essen haben. „Ernährung soll kein Zuckerschlecken mehr sein. Sie ist zu einem Kriegsschauplatz von angeblich diätbewussten Trendsettern, Verzichtsextremisten, nahrungsmittelorientierten Moralaposteln und nicht zuletzt von Geschäftemachern geworden“, warnt der gesellschaftskritische Publizist Detlef Brendel in seinem neuen Buch „Schluss mit Essverboten“ (Plassen Verlag). Er plädiert mit überzeugenden Argumenten für eine positive Einstellung zur Ernährung, die nicht durch unnötige Problematisierung und Verbote geprägt wird, sondern durch Vertrauen auf die eigenen Körpersignale und Genussbedürfnisse.