„Es ist erschreckend, wie viele Behauptungen in der Presse und Social Media verbreitet werden, die auf Grundlage falscher Fakten die Organspende, die Widerspruchsregelung und die Lebendspende diskreditieren“, so der gemeinnützige DIATRA-Verlag. „Wir sehen als dringend gegeben, dass nun endlich die Betroffenen und die Angehörigen die ihnen zustehende Aufmerksamkeit erhalten und angehört werden. Diese sind die ersten, die die negativen Auswirkungen der aktuellen Gesetzeslage am eigenen Leib ertragen müssen und am besten Auskunft geben können.“
Der Bundesrat hat am 5. Juli 2024 beschlossen, den Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchsregelung bei der Organspende in den Bundestag einzubringen. Eine weitere Gesetzesinitiative für die Einführung der Widerspruchsregelung wurde von sechs Bundestagsabgeordneten aus allen demokratischen Parteien Deutschlands unter Schirmherrschaft von Sabine Dittmar, Referentin des Bundesgesundheitsministeriums, initiiert.
Auch junge Menschen sterben auf der Warteliste
Für die meisten Wartepatientinnen und -patienten kommt das lebensrettende Organ in Deutschland zu spät, so wie auch für die einen Tag vor der letzten DIATRA-Videokonferenz verstorbene Schwester von Susanne Dammann, Vorsitzende der bundesweiten PKD Familiäre Zystennieren e.V. „Der Tod meiner Schwester ist ein harter Schlag für mich. Er motiviert mich aber noch mehr, mich in der Selbsthilfe und für die Widerspruchsregelung einzusetzen. Genau wie meine Großmutter, meine Mutter und meine Schwester bin ich von familiären Zystennieren und Zystenleber betroffen – und alle drei mussten daran sterben, weil das Leben eines organkranken Menschen in Deutschland so wenig zählt. Bis zur Einführung der Widerspruchsregelung hoffe ich noch durchzuhalten“, so Susanne Dammann. „Das ist unsere letzte Chance für die Einführung der Widerspruchsregelung, damit Menschen wie Rebecca Biernat mit Mitte Dreißig nicht mehr sterben müssen“, bekräftigt die lebertransplantierte Gudrun Ziegler vom Bündnis Organspende Berlin (s. die Berichte „Uns rennt die Zeit davon“ und „Rebeccas letzter Blogeintrag“). „Wir Organisatoren wollen die World Transplant Games dafür nutzen, um dieses lebenswichtige Thema in der Öffentlichkeit voranzutreiben“, ergänzt die lebertransplantierte begeisterte Sportlerin Gudrun Manuwald-Seemüller, erste Vorsitzende von TransDia e.V. und Managing Director der World Transplant Games 2025 Dresden.
Bisherige Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus
Die Bundesabgeordneten argumentieren, dass die Gesetzesänderung notwendig sei, da die 2020 verabschiedete Zustimmungsregelung nicht wie erhofft zu mehr Organspenden geführt habe. Auch das geplante Gesetz für die Erweiterung der Überkreuz-Spende der lebend entnommenen Nieren oder Leber und das noch nicht flächendeckend angeschlossene Organspende-Register werden den drastischen Mangel an Organ- und Gewebespenden nicht wesentlich beheben, so Mario Rosa-Bian, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Niere NRW e.V. Er und weitere Organspende-Experten stehen für alle Fragen zur Transplantationsgesetzgebung in Deutschland und anderen Ländern Journalisten und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.
Solange bei hirntoten Personen in den Kliniken die Möglichkeit einer Organspende nicht systematisch überprüft wird, ist Deutschland von einer Kultur der Organspende noch sehr weit entfernt. Papst Franziskus spricht sich schon seit Jahren für die Organspende aus und ermutigt zur Organspende als „edle und verdienstvolle Tat“. In Anlehnung an den Katechismus der Katholischen Kirche betonte der Papst auch, dass die Organspende nicht nur eine soziale Verantwortung, sondern auch ein Zeichen umfassender Solidarität und Nächstenliebe sei.
Auch die Kirchen sind in der Pflicht
Der katholische Pater Klaus Schäfer, Seelsorger an einem Transplantationsklinikum, hält die Widerspruchsregelung ebenfalls für mehr als dringend notwendig. „Der Staat regelt durch die Widerspruchsregelung nur das, was rund 70% der Bürgerinnen und Bürger nach 10 Jahren intensiver Aufklärung und Appellen nicht regeln wollen. Seit Jahrzehnten gibt es im deutschen Rechtswesen die Grundregel ,Wer nicht widerspricht, stimmt zu‘. Das bekannteste Beispiel ist das Erbrecht. ,Wer kein eigenes Testament verfasst, stimmt der gesetzlichen Erbfolge zu‘“, so Pater Schäfer. Es sei an der Zeit, über nicht mehr benötigte Organe und Gewebe zu verfügen – im Zweifel für eine Organspende an Bedürftige aus Nächstenliebe. Selbstverständlich hätten bei der Widerspruchsregelung die Angehörigen das letzte Wort, wie es in vielen anderen Ländern mit Widerspruchsregelung auch gehandhabt wird, betont er.