Kongress: Ist Datenschutz ein zahmer Tiger?

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Berlin: Zahlreiche Veröffentlichungen über rechtswidrige Mitarbeiterüberwachungen in Unternehmen haben in jüngster Vergangenheit die öffentlichen Debatten beherrscht. Der Kongress der TÜV NORD Akademie „Arbeitnehmerdatenschutz ? quo vadis?“ gibt einen Überblick über den Stand der Diskussion und bringt die Positionen aus Rechtswissenschaft, Gewerkschaft, Arbeitgeberverband und betrieblichen Datenschutzbeauftragten zusammen. Datenschutzexperten der Bundestagsfraktionen beleuchten, mit welchen Aktivitäten zum Arbeitnehmerdatenschutz in der neuen Legislaturperiode zu rechnen ist. Der Kongress findet statt vom 03. bis 04. November im Mövenpick Hotel Berlin. Rechtsanwalt Frank Henkel, Moderator des Kongresses, erläutert, warum das Thema Datenschutz nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Entscheider aus Wirtschaft und Politik zunehmend bedeutender wird.

Warum sind die Themen Datensicherheit und Datenschutz für Arbeitnehmer im Allgemeinen so wichtig?

Durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitsprozesse hinterlassen Arbeitnehmer immer mehr Spuren in den weitgehend vernetzten IT-Systemen. Die Möglichkeiten für umfassendes, jederzeitiges und auch heimliches Auswerten von Leistung und Verhalten der Mitarbeiter durch die Arbeitgeber sind somit enorm gestiegen. Nicht zuletzt durch die bekannt gewordenen Datenschutzskandale sind die Mitarbeiter in Sorge, dass auch ihr Arbeitgeber dies ausnutzen könnte.

Wie wird ein angemessener Umgang mit vertrauensvollen Daten sichergestellt?

Die Geschäftsleitung sollte dem Thema Datenschutz und Datensicherheit im Unternehmen hohe Bedeutung beimessen und entsprechende Zeichen an die Belegschaft senden. Die Mitarbeiter sind für dieses Thema zu sensibilisieren und zu schulen. Jeder muss die Grenzen des Erlaubten im Umgang mit personenbezogenen Daten kennen. Mindestens genauso wichtig ist jedoch, ein effektives internes Kontrollsystem zum Datenschutz und zur Datensicherheit aufzubauen, das den Risiken für das Unternehmen und den Beschäftigten gerecht wird.

Der Wirtschaft ist an gerechtem Ausgleich gelegen zwischen ausreichendem Datenschutz für Arbeitnehmer einerseits und ausreichendem Handlungsspielraum für effiziente Kriminalitätsvermeidung durch den Arbeitgeber andererseits. Welche Probleme ergeben sich hieraus?

Im Einzelfall können die Meinungen über einen „gerechten Ausgleich“ weit auseinander gehen, wie der ein oder andere Datenschutzskandal in der Vergangenheit gezeigt hat. Solange der Gesetzgeber nicht klare Regeln vorgibt für die Zulässigkeit von Auswertungen zum Aufklären von Kriminalität und es bei allgemeinen Interessenabwägungsklauseln belässt, wird diese rechtliche Grauzone bestehen bleiben. Mit dieser Grauzone kann der Arbeitgeber aufgrund seiner Machtposition im Regelfall besser leben als der Arbeitnehmer.

Ist Datenschutz also ein zahnloser Tiger?

Ein zahnloser Tiger ist er zwar nicht, wie gerade die aktuellen Datenschutzskandale gezeigt haben, die unter anderen zu erheblichen Bußgeldzahlungen in Millionenhöhe führten. Aber das Risiko entdeckt zu werden, ist noch sehr gering. Insofern bilden die Datenschutzskandale nur die Spitze des Eisbergs. Hier gibt es von Aufsichtsbehörde zu Aufsichtsbehörde große Unterschiede. Gleiches gilt für die Betriebsräte: Auch sie müssen den Datenschutz ernster nehmen und von ihren Mitbestimmungs-, Kontroll- sowie erforderlichenfalls auch den Klagerechten Gebrauch machen. Sowohl für Aufsichtsbehörden und Betriebsräte als auch für Arbeitnehmer sind schon eine Menge Möglichkeiten vorhanden, den Datenschutz auch durchzusetzen. Es hängt von allen Beteiligten ab, ob und wie zahnlos der Datenschutz ist.

Bei den angesprochenen Datenschutzskandalen sind Kontrolldefizite sowohl innerhalb der Unternehmen als auch bei den Datenschutzaufsichtsbehörden zutage getreten. Wie können diese behoben werden?

Jedes Bundesland bestimmt über sein Landesrecht seine Datenschutz-Aufsichtsbehörde. Diese Aufsichtsbehörde kann Unternehmen ohne Anlass kontrollieren. Die Unternehmen sind dann verpflichtet, umfassend Auskunft und Einsicht zu gewähren. Was die staatlichen Kontrollinstanzen angeht, liegt das Problem also weniger in den fehlenden Befugnissen als vielmehr in der unzureichenden personellen Ausstattung der Aufsichtsbehörden. Der Anzahl und dem Umfang der Prüfungen und Bußgeldverfahren sind daher Grenzen gesetzt. Was die interne Kontrolle angeht, sollte darüber nachgedacht werden, den betrieblichen Datenschutzbeauftragten über einen bloßen Kündigungsschutz hinaus zu stärken. Zu denken wäre an einen Freistellungsanspruch und ein Klagerecht, etwa wie beim Betriebsrat. Wichtig erscheinen mir zudem klarere Vorgaben zur Einführung einer effektiven Datenschutzorganisation im Unternehmen.

Der Ruf nach einem neuen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz wird immer lauter. Wo gibt es denn noch Lücken im derzeitigen Bundesdatenschutzgesetz?

Es gibt zahlreiche Zweifelsfälle, die unbedingt in umfassenderen Regelungen gelöst werden müssen. Beispielhaft sei hier nur der Bereich Internet/E-Mail und Telekommunikation genannt, wo gerade bei erlaubter Privatnutzung Unsicherheit besteht, ob und welche Daten wie lange zu welchen Zwecken verarbeitet werden können. Wir benötigen zudem Antworten zum Einsatz besonderer Technologien wie RFID, GPS und Video. Problematisch sind auch Einwilligungen im Arbeitsverhältnis oder die Durchführung von Potenzialanalysen. Da lässt der Gesetzgeber die Beteiligten alleine. Die Liste ließe sich ohne Mühe weiter fortführen.

Mit welchen Aktivitäten und inhaltlichen Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz ist in der neuen Legislaturperiode zu rechnen?

Die Arbeiten zu einem umfassenden Arbeitnehmerdatenschutzgesetz sind schon aufgenommen worden. Mit welchen Regelungen gerechnet werden kann, ist mir dagegen noch völlig unklar. Die inhaltliche Komponente wird aber entscheidend dafür sein, in welcher Zeit das Gesetzesvorhaben vollzogen werden kann.

Einzelheiten zu dem Kongress sind zu erfahren unter der Telefonnummer 040 8557-2920. Anmeldungen sind online www.tuev-nord.de/arbeitnehmerdatenschutz-kongressoder schriftlich möglich bei der TÜV NORD Akademie in Hamburg, Große Bahnstraße 31, 22525 Hamburg per Fax an 040 8557-2958 oder per E-Mail akd-hh@tuev-nord.de . Einzelne Seminare aus dem kompletten Angebot der TÜV NORD Akademie lassen sich online suchen und buchen unter www.tuevnordakademie.de/seminare .

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