Seriös geht anders
Reportagen über Sexsüchtige unter dem Titel „Grenzenlos geil“ oder
flache Dokumentationen über Partys von Motorradfreaks, verkauft unter
dem Motto „Biker, Brüste, Büchsenbier“: Der Fernsehsender RTL2 hat
zuletzt nicht gerade mit Niveau im Programm geglänzt. Geschweige denn
mit Zurückhaltung bei der Frage, in welchem Maße man obszöne und
vulgäre Bilder den auch minderjährigen Fernsehzuschauern anbietet.
Mit dem neuen Magazin „Tatort Internet“ versucht der Sender, auf
die Seite von Moral und Anstand zurückzukehren – allerdings
vergeblich. Denn die zunächst begrüßenswerte Absicht, den Kampf gegen
Kinderschänder aufzunehmen, verschwindet hinter effektheischenden
Inszenierungen: verwirrend schnelle Schnitte und krasse
Handlungssprünge, dazu psychedelische Spannungsmusik und
Trommelwirbel beim Auftauchen der vermeintlichen Täter. Selbst wenn
man die nachvollziehbare Kritik an der streitbaren Vorgehensweise der
selbst ernannten Ermittler mit dem Argument der investigativen
Recherche abtut: Seriöse Aufklärung geht trotzdem anders.
Dass sich Stefanie zu Guttenberg für dieses Projekt hergegeben
hat, verwundert deshalb sehr. Doch dies ist nicht die erste
Irritation: Auch ihre Kritik am lasziven Porno-Sexismus in den
modernen Musikvideos passte nicht wirklich zur Vorgehensweise,
Vorab-Auszüge ihres Missbrauch-Buches „Schaut nicht weg“ just in der
Zeitung zu veröffentlichen, die jeden Tag mit einem nackten Mädchen
auf der Titelseite glänzt. Mehr Trennschärfe ist geboten. Denn sonst
kaufen ihr die Bürger ihr eigentlich begrüßenswertes Anliegen bald
nicht mehr ab.
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Neue Osnabrücker Zeitung
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