Die Vorteile der Therapie von heroinabhängigen Patientinnen und Patienten mit Substitutionsmitteln sind durch viele Studien belegt, so dass die Substitutionsbehandlung weltweit als Goldstandard gilt: Die langfristige Substitutionstherapie sichert das Überleben der Patienten, reduziert den Drogenkonsum und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe sowie eine Wiederaufnahme von Arbeit. Die restriktiven Regelungen in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV), wie Abstinenzziel, Verbot von Ersatzstoff-Mitgabe oder harsche Konsequenzen bei Konsum anderer Drogen, verhindern aber die konsequente Anwendung der Therapie im Sinne der chronisch kranken Patienten. Aus Sicht der Ärzte wird die therapeutische Arbeit eingeschränkt durch Vorgaben, die nur der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs dienen.
Leitlinien und Verordnung im Widerspruch
Auf dem Parlamentarischen Abend von Sanofi in Berlin wurden die schwierige Lage der Opiatabhängigen und der politische Handlungsbedarf eindrucksvoll illustriert. Renate Auer, Vorsitzende der Baden-Württembergischen Landesvereinigung für Eltern-/Angehörigenkreise Drogenabhängiger und Drogengefährdeter zeigte anhand der Ergebnisse einer eigens erhobenen Studie, zu welchen Alltagsproblemen strikte Vergaberegeln und der daraus resultierende Mangel an substituierenden Ärzten führt: über zwei Stunden Fahrzeit zur Ersatzstoffvergabe sind zum Beispiel keine Seltenheit. „Wenn Integration von Opiatabhängigen gelingen soll, dann ist die Substitutionsbehandlung ein wichtiger Bestandteil. Aber wie die Bestimmungen derzeit sind, lassen sie sich mit einem Arbeitsalltag nur schwer oder gar nicht vereinbaren“, appellierte sie an die Politik. Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer, beschrieb die fatalen Auswirkungen der Diskrepanz zwischen ärztlichen Behandlungsrichtlinien einerseits und gesetzlichen Vorgaben andererseits: „Man muss sich das mal bildlich vorstellen. Kripo-Beamte haben Praxen durchsucht, die nach therapeutischen Erfordernissen behandelt haben.“
Neuer Vorstoß im Schulterschluss
Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS), die DG-Sucht, die Deutsche Stiftung für chronisch Kranke, akzept, die Deutsche Aidshilfe und Vertreter der Bundesärztekammer fordern bereits seit Jahren Reformen in der Suchtpolitik. In einem „Sieben-Punkte-Papier“ haben sie im August dieses Jahres gemeinsam zentrale Reformvorschläge für die Behandlung und Verschreibung von Betäubungsmitteln formuliert und an die Politik übermittelt. In dem Papier wird gefordert, die Sicherstellung des Überlebens als Primärziel der ärztlichen Behandlung zu begreifen. Desweiteren sollen die Vergabe- und Mitgaberegelungen des Substitutionsmittels angepasst werden, um den Lebensbedingungen stabil eingestellter und berufstätiger Patienten entgegenzukommen. Die Psychosoziale Begleitung soll enger an die therapeutischen Erfordernisse angepasst werden. „Medizinisch-therapeutische Tätigkeiten gehören nicht in die BtMVV. In der BtMVV ist nur zu regeln, was der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs dient. Zur Regelung der therapeutischen Arbeit sind die ärztlichen Richt- und Leitlinien maßgeblich“, pochte Prof. Markus Backmund, Vorsitzender des Vorstands der DGS, auf die ärztliche Therapiefreiheit, die er aktuell nicht gewährleistet sieht. Die Substitutionsärzte stünden bei den geltenden Gesetzen selbst bei richtlinienkonformer Behandlung mit einem Bein im Gefängnis. Das sei unzumutbar. Doch es scheint Bewegung in der Politik zu sein. Erwartet wird von den Ärzten, dass „bis zur nächsten Sommerpause des Bundestages“ Ergebnisse vorliegen. Aus dem Bundesministerium für Gesundheit sind bereits positive Signale erkennbar. Ein Entwurf des BMG für die BtMVV-Reform liege zur Abstimmung bei den Bundesministerien des Innern und der Justiz. Darin dürften „die relevanten Aspekte der eingereichten Vorschläge weitgehende Berücksichtigung finden,“ hieß es seitens der Drogenbeauftragten.
Parteien einig und engagiert
Die CSU-Abgeordnete, Emmi Zeulner, verwies auf einen Handlungsleitfaden zur Änderung des Betäubungsmittelrechts, den die CDU/CSU-Fraktion bereits vor einem Dreivierteljahr der Bundesregierung vorgelegt hat. In dem Leitfaden werden insbesondere eine gelockerte Mitnahmeregelung, höhere Höchstverschreibungsmengen und verbesserte Rechtssicherheit für Ärzte empfohlen. „Substitutionsrecht ist ein Verordnungsrecht, deswegen hat das Parlament wenig direkten Einfluss“, stellte Zeulner fest. „Aber wir können nachfragen und Druck ausüben.“ Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar unterstützte ihre Koalitionskollegin aus dem Gesundheitsausschuss. „Die bestehenden Regelungen sind nur bedingt alltagstauglich“, weiß die Ärztin. „Für eine patienten- und ärzteorientierte Substitutionstherapie müssen BtMVV und BtMG zügig angepasst werden. Wir sind froh, dass die Regierung da auf dem richtigen Weg ist. Allerdings habe ich wenig Verständnis für die lange Bearbeitungszeit im Ministerium, denn an der Basis brennt“s!“ Dr. Harald Terpe, drogen- und suchtpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und selbst Mediziner, sowie Frank Tempel von DIE LINKE stimmten in den positiven Grundtenor ein, mahnten aber auch zur Eile. „Bereits 2012 haben die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin, die Deutsche AIDS-Hilfe und akzept umfassende Reformvorschläge vorgelegt. Die Bundesregierung muss nun endlich handeln, bevor die Versorgungsengpässe noch größer werden,“ so Terpe.