Riehle weiß aus eigener Erfahrung, dass Zwangserkrankte mit sich überaus streng sind: „Da werden Selbstvorwürfe gemacht, die man anderen Personen gegenüber nicht äußern würde. Und auch die Messlatte für Fehler oder Versagen liegt bei Betroffenen oftmals sehr viel niedriger als bei gesunden Menschen. Korrektheit und Makellosigkeit gehören häufig zu den Anforderungen einer zwanghaften Persönlichkeit mit der Tendenz, völlig illusorische Maßstäbe anzulegen. Man verlangt von sich nahezu Übermenschliches und reagiert mit entsprechenden Zwangshandlungen, sobald diese Kriterien nicht erfüllt werden – was in der Regel ohnehin nicht der Fall sein kann. Entsprechend findet sich der Betroffene in der ständigen Situation, noch mehr von sich zu fordern und seinem Ziel damit automatisch niemals gerecht werden zu können. Das ist das Perfide an der Erkrankung: Das selbstgesteckte Selbstbild ist absolut unrealistisch und derart unverhältnismäßig, dass sein Erreichen unmöglich wird. So ein Zustand der dauerhaften Entfremdung führt zu massivem Stress. Und er ist wiederum Triebmittel für weitere Zwänge. Das Hamsterrad wird damit perfekt“, so Dennis Riehle. „Ein möglicher Ausweg ist dann die durch mentales Training förderbare Umformulierung der Glaubenssätze, die der Wirklichkeit wieder näher kommen und mit kritischer Eigenreflexion einhergeht. Doch damit diese eingefahrenen Strukturen gelöst werden können, muss Bereitschaft und Einsicht für Veränderung bestehen. Das kann oftmals nur mithilfe einer psychiatrischen Untermauerung funktionieren“, sagt der Gruppenleiter, der sich aber sicher ist: „Man ist Zwangsstörungen am Ende nicht ausgeliefert, solange eine gewisse Schwingungsfähigkeit und nötige Distanzierung von den selbstzerstörerischen Handlungen und Gedanken vorhanden ist. Man mag zwar auf den ersten Blick gar nicht anders reagieren zu können, als dem inneren Antrieb der Krankheit Folge zu leisten. Mein Beispiel zeigt aber, dass unser Versuch zum Zurückerlangen von Souveränität und Selbstbestimmung erfolgreich sein kann und der Zwang bezwingbar ist“, so Riehle abschließend.
Die Psychosoziale Mailberatung der Selbsthilfeinitiative ist bundesweit kostenlos über www.selbsthilfe-riehle.de erreichbar.