tz München: Mel Gibson über seine Rolle als depressiver Vater in „Der Bieber: „Mein Job ist wie eine Therapie“

Wenn er wegen seiner Skandal-Schlagzeilen nicht in
Hollywood auf der schwarzen Liste stehen würde, könnte Mel Gibson
(55) sich mit seinem neuen Film „Der Biber“ Oscar-Hoffnungen machen.
Die Kritiker jedenfalls bejubelten am Dienstagabend in Cannes seine
Darstellung eines depressiven Familienvaters, der nur durch eine
Handpuppe mit seiner Umwelt kommunizieren kann.

Die Frage drängt sich auf: Hat „Mad Mel“ Parallelen zu seiner
eigenen Psyche entdeckt?

Mel Gibson: Natürlich. Wer würde das nicht. Wir alle gehen durch
Höhen und Tiefen. Aber Walter Black, der Mann, den ich spiele, ist
schwer depressiv. Und das bin ich nicht.

Im Film sieht man einen erwachsenen Mann, der ein Plüschtier
braucht, um mit dem Stress in seinem Leben fertig zu werden. Was ist
Ihr Mittel zum Stress-Abbau?

Gibson: Heiße Bäder. Akupunktur. Fußmassage. Ich halte nicht viel
von Medikamenten und dem Zeugs. Das hilft nicht. Am Ende muss man die
Lösung in seiner Seele finden.

Glauben Sie, dass Schauspielerei therapeutisch sein kann?

Gibson: Da ist was dran. Mein Job ist wie eine Therapie. Als ich
ein ganz junger Schauspieler war, sind wir mit unserer Theatertruppe
in Schulen gegangen. Unter anderem auch in eine, wo Kinder mit
schweren emotionalen Problemen unterrichtet wurden. Sie waren
ziemlich aufsässig. Mitten in unserer Vorstellung sind sie
aufgestanden und haben mitgemacht. Die Lehrer wollten sie von der
Bühne ziehen, aber ich habe gesagt „Lasst sie“. Es ist die
unvergesslichste Erinnerung aus meinem beruflichen Leben. Ich fühlte,
als ob ich zu diesen Kindern gehörte. Als das Stück vorbei war, waren
sie richtig glücklich und nett.

Welche Erinnerungen bewahren Sie aus Ihrem Privatleben auf?

Gibson: Das wichtigste sind Familienalben und Fotos. Darum war es
für mich ein tragischer Verlust, als uns auf dem Flughafen die Videos
von unseren Kindern gestohlen wurden, als sie klein waren. Hätten die
Diebe doch nur meine Geldbörse genommen…

Sechs der sieben Kinder aus Ihrer Ehe sind schon erwachsen. Was
hoffen Sie, werden sie von ihrem Vater übernehmen, und was glauben
Sie, lehnen Sie an ihrem Vater ab?

Gibson (rollt mit den Augen): Wow, was für eine Frage. Sie sind
ein verbessertes Modell der Marke Gibson. Spezifischer möchte ich
nicht werden. Das tue ich zwei Mal die Woche bei einem Typen, der zum
Schweigen verpflichtet ist.

Beten Sie zu Gott, wenn Sie Probleme haben?

Gibson: Jeder tut das. Egal wer man ist, in welcher Kultur man
lebt.

Sie haben als Antwort auf die Ablehnung, mit der Ihnen viele in
Hollywood begegnet sind, gesagt, dass Sie auch die Schauspielerei
aufgeben könnten. Haben Sie das ernst gemeint?

Gibson: Todernst.

Was würden Sie stattdessen tun?

Gibson: Kochen.

Jetzt machen Sie aber Witze!

Gibson: Nein. Ich lade oft Gäste ein und serviere ihnen ein
Festmahl. Für 50 oder sogar 60 Leute zu kochen, ist für mich ein
Riesenvergnügen.

Dierk Sindermann

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