Ein Mann hat vor Gericht den Staatsanwalt
erschossen, die illegal besorgte Waffe hatte er ohne Probleme am
Wachmann vorbeigeschmuggelt. Kontrollen gab es keine. Dass nun erneut
die Diskussion um Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht entbrennt, ist
nur logisch. Schärfere Kontrollen fordern die einen, schließlich
stünden keine Unschuldslämmer vor Gericht. Andere äußern sich
zurückhaltender. Der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz
etwa will nicht in »Geheimjustiz« verhandeln. Damit liegt der Jurist
richtig – denn Recht wird im Namen des Volkes gesprochen, und die
Öffentlichkeit darf dabei nicht vor der Tür bleiben. Aber das muss
sie auch nicht. Schließlich geht es nicht darum, in einer kleinen
Verhandlung so zu verfahren, wie es in großen Prozessen, etwa gegen
die Organisierte Kriminalität, der Fall ist – mit getrennten
Sitzungstrakten und Eingangskontrollen wie am Flughafen. Und niemand
redet davon, dem Besucher nun den spitzen Kugelschreiber am Eingang
abzunehmen oder ihm ganz den Zutritt zu verwehren. Dass schon
kleinere Maßnahmen möglich sind, zeigt Nordrhein-Westfalen:
Mindestens zwei Wachmänner sind auch in kleinen Gerichten während der
Öffnungszeiten im Einsatz, in den meisten Fällen gibt es
Einzelschleusen am Eingang Und wo diese fehlen, wurde das Gericht mit
einem Handdetektor ausgestattet. Solche Maßnahmen beschneiden
niemanden in seinen Rechten und halten keinen davon ab, einem Prozess
beizuwohnen. Das Problem liegt woanders. In NRW wie in Bayern und den
anderen Bundesländern steht es meist im Ermessen des jeweiligen
Gerichts, ob kontrolliert wird oder nicht. Hier muss angesetzt
werden. Denn dass die Behörde in ihrer Einschätzung daneben liegen
kann, hat der Fall Dachau tragisch bewiesen. Es ging um nicht
gezahlte Sozialversicherungsbeiträge, der Angeklagte war nicht
vorbestraft. Er soll sich zwar mit seiner Anwältin gestritten haben.
Aber dass er plötzlich eine Waffe zieht – mit so etwas rechnet
niemand. Bei täglich etwa 1000 Prozessen allein in Bayern war Dachau
natürlich ein Einzelfall – aber ein vermeidbarer. Eine Kontrolle –
egal ob per Schleuse oder simpler Taschenkontrolle – hätte
wahrscheinlich gereicht, um die Waffe zu entdecken und ein
Menschenleben zu retten. Natürlich gibt es Kontrollen nicht zum
Nulltarif, sie kosten Zeit und binden Personal. Die Besucher und
Prozessbeteiligten wiederum benötigen im Zweifelsfall Geduld. Doch
das kann man jedem abfordern. Die tödlichen Schüsse am Mittwoch waren
nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Aber dass der Täter eine
Waffe einschmuggeln konnte, verwundert nach ähnlichen Fällen in der
Vergangenheit umso mehr. Die Folge müssen verbindliche Kontrollen
sein. Die hätten schon 2009 bundesweit eingeführt werden müssen.
Damals waren in zwei Prozessen gleich drei Menschen ums Leben
gekommen.
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